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23.07.2013

Gesänge aus einer anderen Welt

Bulgaren verzauberten das Publikum / Mystische Atmosphäre in der Luckauer Nikolaikirche
LUCKAU Wenn das Publikum stehend applaudiert, die Künstler nicht ohne Zugaben gehen lässt, muss etwas Besonderes passiert sein. Am Sonntagabend war das der Fall. Die acht bulgarischen Sänger der Gruppe „The Gregorian Voices“ haben die zahlreichen Besucher in der Nikolaikirche in Luckau verzaubert.

Die Gruppe „The Gregorian Voices“ war am Sonntagabend in der Nikolaikirche in Luckau zu Gast. Das Publikum war zahlreich erschienen, das Mittelschiff fast komplett besetzt.
Foto: Andreas Staindl

 

In traditionellen Mönchskutten sind sie aus einem Seitenflügel der Nikolaikirche zum Altar geschritten. Ihre Gesichter waren von den Kapuzen bedeckt. Die acht bulgarischen Sänger der Gruppe „The Gregorian Voices“ erzeugen schon mit ihrem Auftritt eine mystische Atmosphäre. Sie nehmen das Publikum mit auf eine Zeitreise durch die Welt der geistlichen Musik des Mittelalters, in eine Klangwelt ohne zeitliche, religiöse und sprachliche Grenzen.

Das Publikum spendet höflich Beifall, als die Künstler den Altarraum erreicht haben und ihre Kapuzen absetzen. Der vorerst letzte Klang aus den Zuschauerreihen – bis auf ein paar zarte Räuspergeräusche. Dabei ist das Mittelschiff fast vollständig besetzt. Den Sängern gelingt es schnell, die Zuhörer in ihren Bann zu ziehen. Man fühlt sich tatsächlich in das Mittelalter versetzt – ein wenig Vorstellungskraft vorausgesetzt. Mucksmäuschenstill ist es in der Kirche, als das erste Lied gesungen war. Niemand klatscht. Alles lauscht andächtig. Nur wenige Leute wagen es, sich zu räuspern. Eine mystische Stimmung macht sich breit. Schuld sind „The Gregorioan Voices“ mit ihrem Gesang aus einer scheinbar anderen Welt, einer längst vergessenen Zeit.

Die Stimmen klingen hervorragend, wirklich authentisch, scheinen aus dem Mittelalter in die heutige Zeit gerettet worden zu sein. Alle Mitglieder der Gruppe haben eigenen Angaben zufolge eine klassische Gesangsausbildung. Sie verstehen es perfekt, frühmittelalterliche gregorianische Choräle, orthodoxe Kirchengesänge und Lieder der Renaissance sowie des Barocks vorzutragen.

Die Künstler singen, solo aber auch einstimmig, etwa die Choräle „Ave Maria“ und „Salve Regina“ – beides aus dem 9. bis 12. Jahrhundert. Sie tauchen mit orthodoxen Gesängen ein in das 13./14. Jahrhundert und entführen die Zuhörer geistig in die Zeit der Renaissance und des Barock im 15. bis 18. Jahrhundert. Die Stimmgewalt der Gruppe ist enorm. Der Klang füllt den ganzen Kirchenraum aus. Und die Nikolaikirche ist groß, zudem ziemlich hoch. Das Gotteshaus ist eine optimale Kulisse für den gregorianischen Gesang.

„Der Gesang klingt fantastisch“, wird der Dresdener Hans Simon später sagen. „Ich bin erstaunt, wie gut die Sänger auch Popmusik umgesetzt haben. Das hatte ich so nicht erwartet.“

Der Chor hat das Publikum in eine spirituelle Klangwelt entführt. 45 Minuten lang waren nur die Stimmen der Sänger zu hören. Dann brauste sich entladender Beifall auf.

Nach der Pause wurde das Programm spürbar flotter und moderner. Die Gruppe hatte ausgewählte Klassiker der Popmusik mit nach Luckau gebracht. „Yesterday“ von den Beatles war jetzt zu hören, auch „Sound of Silence“ von Simon and Garfunkel und „Knockin On Heavens Door“ von Bob Dylan sowie weitere bekannte Titel der Neuzeit.

Jetzt, im zweiten Teil des Programms, klatschten die Leute spontan und nach jedem Lied. Das Moderne, gesungen im Stil der mittelalterlichen Gregorianik, begeisterte sie offensichtlich. Die „Klatschbremse“ der ersten 45 Minuten war endgültig gelöst. Nach 90 Minuten verließen die Sänger den Altarraum – und kamen wenig später natürlich zurück.

Das Publikum hat sie stehend mit Applaus dazu aufgefordert. Auch als „The Gregorian Voices“ nach einer weiteren Zugabe endgültig die Kirche verlassen, stehen die Besucher von ihren Kirchenbänken auf und applaudieren lautstark.

Von Andreas Staindl, erschienen in der Lausitzer Rundschau

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