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18.09.2007

Stecknadeln in der Dorfkirche erzählen Zeitgeschichte

In Luckau werben Denkmalpfleger für Erhalt des christlichen Erbes

Auch unspektakuläre Funde wie Stecknadeln erzählen Zeitgeschichte. Das hat Markus Akte vom brandenburgischen Landesamt für Denkmalpflege in Luckau während eines Symposiums zu Dorfkirchen der Niederlausitz deutlich gemacht. Denkmalpfleger und interessierte Laien waren im Rathaus der Gartenstadt zusammengekommen. Eingeladen hatten der Förderkreis Alte Kirchen der Luckauer Niederlausitz und die Stadtverwaltung. Konzipiert und moderiert wurde die Veranstaltung vom Kunsthistoriker und Bauarchäologen Dirk Schumann.

Markus Akte berichtete den Zuhörern, von Gottesdienstbesuchern verlorene Gegenstände seien eine Fundgrube für Archäologen. In der Beesdauer Kirche habe der mittelalterliche Feldsteinfußboden 25 Zentimeter unter dem neuzeitlichen Beton gelegen. Bei der Sanierung hätten die Fachleute neben 400 Münzen vom Mittelalter bis zur Gegenwart 238 Stecknadeln aus alten Bodenschichten gesiebt. „Die Fundstellen deuten darauf hin, dass die Frauen in ihren Trachten früher sowohl in den nördlichen als auch in den südlichen Bankreihen des Kirchenschiffes saßen und offenbar eher die Plätze am Mittelgang bevorzugten als die an der kühlen Kirchenwand“ , erläuterte Markus Akte. In der ersten Reihe des Chorgestühls seien 31 Fragmente von Schiefergriffeln zutage getreten. „Dort könnten die Plätze der Konfirmanden gewesen sein“ , schlussfolgerte der Denkmalpfleger.

Jede zweite Kirche in Not

Dass nach Stadtkirchen in den vergangenen beiden Jahren beim dritten Luckauer Symposium Gotteshäuser auf dem Lande im Mittelpunkt standen, komme nicht von ungefähr, erklärte Annegret Gehrmann vom Förderkreis Alte Dorfkirchen der Luckauer Niederlausitz.

Die Dorfkirche von Beesdau ist eines von 50 kirchlichen Baudenkmalen
im Altkreis Luckau, die es für die Nachwelt zu bewahren gilt.
(Foto: Harald Friedrich)

In Brandenburg gibt es laut Statistik 1400 Dorfkirchen, von denen jede zweite dauerhaft saniert werden muss. „Der Altkreis Luckau hat 50 denkmalgeschützte Kirchen verschiedener Epochen“ , sagte Annegret Gehrmann. In der Region seien die meisten Gotteshäuser zwar noch nicht akut in Not, dennoch müssten sich die Menschen Gedanken um deren Zukunft machen. Deshalb sei vor fünf Jahren der Förderkreis gegründet worden und habe inzwischen 23 Dorfkirchen in seiner Obhut, so die Vorsitzende. Mit Konzerten, mit Kirchen-Radtouren als buchbare touristische Angebote und weiteren Ideen werde versucht, Menschen für die Gotteshäuser zu sensibilisieren, erklärte die Langengrassauerin.

Wo Pfarrsprengel immer größer und die Kirchgänger weniger würden, müsse über neue Nutzungsarten für die Dorfkirchen nachgedacht werden, die ethisch zu den Bauwerken passten, sagte Luckaus Bürgermeister Harry Müller (parteilos). Früher habe Glaube die Menschen motiviert, trotz materieller Sorgen ihre Kirchen nicht verfallen zu lassen. Heute müssten sie die Gotteshäuser als das wichtigste Zeitzeugnis im Ort begreifen lernen. Christen wie Nicht-Christen trügen dafür Verantwortung, so Müller. Pfarrer Frank Gehrmann und seine Frau Annegret seien mit ihrem Engagement „ein Glücksfall für die Region“ , fügte Luckaus Stadtoberhaupt an.

„Je mehr wir über unsere Kirchen wissen, desto mehr werden sie uns ans Herz wachsen“ , sagte der Kunsthistoriker Dirk Schumann. „Viele Einzelteile ergeben das Gesamtbild einer Kulturgeschichte, die eigentlich verloren ist“ , so Schumann. Die mittelalterliche Geschichte der Kirchen sei durch den tiefen Einschnitt, den die Reformation mit sich brachte, überdeckt worden, erklärte er die Schwierigkeit.
Als Beispiel für ein noch weitgehend unerforschtes Geheimnis der Vorfahren im 13. Jahrhundert stehen Schachbrettsteine – Findlinge mit eingeritzten Gittermotiven – die sich einzeln oder in kleiner Stückzahl an Kirchengiebeln finden. Von der Lausitz über den Fläming bis in die Uckermark und nach Jütland folgte Eberhard Bönisch vom Landesamt für Denkmalpflege in seinem Vortrag ihrer Spur. An immer mehr Kirchen seien in den vergangenen Jahren solche Steine entdeckt worden, so auch in Terpt, Gießmannsdorf, in Kemlitz und Ihlow. Ob sie Gefahren abwehren sollten, ob die Zahl der Felder bestimmte Bedeutung hatte, lasse sich erst ergründen, wenn viele dieser Steine gefunden sind, sagte Bönisch.

Probe aufs Exempel

Sein Kollege Markus Akte indes wollte ein anderes Geheimnis lüften. Ihn interessierte, ob heutzutage von den Leuten in der Kirche noch immer so viel vergessen wird. „Ich habe die Probe aufs Exempel gemacht“ , erzählte er. In Goßmar beispielsweise fand er neben Geld einen Kamm, Haarspangen und eine Brille, deren Besitzerin ermittelt werden konnte. „Gefundene Euro kamen in die Kollekte“ , erklärte Markus Akte und schmunzelte.

Zum Thema Luckauer Symposien

Das erste Kirchen-Symposium hatte sich in Luckau anlässlich der Brandenburger Kulturlandkampagne im Jahr 2005 mit der Luckauer Nikolaikirche und deren Sanierung beschäftigt. Ziel des Förderkreises sei es, Veranstaltungen anzubieten, die für jedermann verständlich seien, sagt Annegret Gehrmann vom Förderkreis. Das Gremium sehe sich als Mittler zwischen Denkmalpflege und Bürgern.

von Carmen Berg

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