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12.06.2018
Mittelalterliche Glocke zum Anfassen in Zieckau
ZIECKAU. Für eine Reparatur wird die Glocke am Sonnabend vom Kirchturm genommen. Los geht die Aktion um 15.30 Uhr.
Die Glocken der Zieckauer Kirche sollen restauriert werden. Dafür werden sie am Samstag mit einem kleinen Fest abgehängt.
Foto: Lothar Treder-Schmidt
Eine seltene Gelegenheit, 550 bis 600 Jahre alte Glockenkunst ganz nahe zu sehen, ohne auf den Turm zu steigen, gibt es am Sonnabendnachmittag in Zieckau. Eine der mittelalterlichen Glocken aus der Dorfkirche geht zur Reparatur in eine Glockenschweiß-Werkstätte. Auf dem Weg vom Turm auf den Lastenanhänger können Zieckauer und Gäste sie begleiten und Erinnerungsfotos schießen. Ab 15.30 Uhr wird es soweit sein, informiert der Gemeindekirchenrat.
Im Vorfeld der Glockenschau beginnt um 15 Uhr ein Grillfest mit schräger Musik und Getränken. Es ist dem Gemeindekirchenrat zufolge ein Dankeschön für großzügige Zieckauerinnen und Zieckauer, die seit 20 Jahren Kuchen für die Konzertveranstaltungen in der Kirche backen und für den Bauernmarkt spenden.
Regelmäßig abends um 18 Uhr waren die Zieckauer Glocken zu hören. Doch seit eine Revision bedenkliche Schäden an Glocken und Glockenstuhl zutage brachte, müssen sie schweigen, und viele Leute vermissen den vertrauten Abbendgruß, so der Zieckauer Lothar TrederSchmidt, der einen Blick in die Geschichte wirft.
Demnach wurden einstmals die Glocken schon von Pilgern gehört, die sich auf den Weg zur Wolfgangskapelle gemacht hatten – einer kleinen, längst verschwundenen Wallfahrtskapelle bei Zieckau. Die kleinere, südlich hängende Glocke mit 68 Zentimetern Durchmesser, trägt zwar keine Inschrift, ist aber spätmittelalterlich, aus dem 15. Jahrhundert. Die größere, nördlich hängende, hat einen Durchmesser von einem Meter und wird in der Literatur dem 14. Jahrhundert zugeordnet.
Wie die Kirche selbst haben die Glocken ihre Schicksale. Im Ersten Weltkrieg entgingen sie wegen ihres ehrwürdigen Alters dem Einschmelzen, im Zweiten Weltkrieg blieb die größere nicht verschont, sie musste 1942 abgeliefert werden – doch Glück im Unglück, sie wurde als historische Glocke zunächst an den Sammelstellen zurückgestellt, das Kriegsende kam gerade noch rechtzeitig, sie hat überlebt.
Verschiedensten Umständen geschuldet, müssen jetzt aber Experten dringend Hand anlegen.
Die südliche Glocke zeigt einen Riss an der Aufhängung, der, wenn keine Reparatur erfolgt, zum Abreißen und Absturz der Glocke beim Läuten führen wird; bei der anderen wurde beim Wiederaufhängen ein nicht optimal geeigneter Stahlklöppel in der falschen Länge eingebaut, der auf lange Frist – und bei Glocken denkt man in Jahrhunderten – ebenfalls zu einem Riss führen kann. Das gekröpfte Joch von 1950 zeigt Alterungsspuren und ist langfristig bruchgefährdet.
Jetzt werden eine Glocke in der Spezialwerkstatt geschweißt und die zweite mit einem korrekten Klöppel versehen. Zuletzt muss der Glockenstuhl als Ganzes so ertüchtigt werden, dass er die Bewegungen der Glocken auffangen kann, ohne den Turm zum Schwingen zu bringen. Der Abschied in die Reparatur wird den Zieckauern aber versüßt in der Vorfreude auf die Rückkehr mit einem Glockenfest.
Von red/be, erschienen in der Lausitzer Rundschau