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11.03.2021
So vergolden die Lübbenauer ihre Kirchturmkrone
Was haben Whisky-Genuss und die Restaurierung einer Kirchturmbekrönung miteinander zu tun? Eigentlich nichts. In Lübbenau jedoch eine ganze Menge.
Die Turmbekrönung der Lübbenauer Nikolaikirche, fotografiert von der Kran-Arbeitsbühne aus. Im Hintergrund sind das Schloss mit Kanzlei und Marstall gut zu erkennen. Foto: Schloss Lübbenau
Rochus Graf zu Lynar steht auf dem Kirchplatz in der Lübbenauer Altstadt und zieht ein Zertifikat aus der Jackentasche. Auf dem Schriftstück steht geschrieben: Mit dem Kauf eines der insgesamt 280 Jubiläumspakete für 162,10 Euro – inklusive einer Flache raren Whiskys und guter Pralinen – habe man die Restaurierung der Turmbekrönung der Lübbenauer Nikolaikirche „tatkräftig unterstützt“. Jeder Cent gehe vollständig an die Kirche, also genau 45.388 Euro.
Wahrscheinlich standen einige der 280 Zertifikat-Besitzer am Mittwoch zusammen mit dem Grafen auf dem Kirchplatz, um mitzuverfolgen, wie die restaurierungsbedürftige Bekrönung nun tatsächlich vom Kirchturm geholt wird.
Aus dem evangelischen Kindergarten Amalie-Schmieder-Haus war sogar eine größere Gruppe Kinder mit ihren Erzieherinnen gekommen. Auch etliche Passanten blieben stehen und schauten zu, außerdem Kunden, die gerade eingekauft hatten. Anwohner kamen aus ihren Häusern, Mitarbeiter der Stadtverwaltung verließen kurz das Rathaus, der Bürgermeister riskierte einen Blick vom Balkon.
Viel Publikum auf dem Lübbenauer Kirchplatz
Und es war auch sehenswert, was sich da abspielte. Drei Metallrestauratoren einer Firma aus dem sächsischen Wilsdruff nahe Dresden wurden per Kranausleger mit Arbeitsbühne in 60 Meter Höhe gehoben. Bei idealem Arbeitswetter holten die Männer erst die Wetterfahne mit dem Kreuz vom Turm.
Wieder oben angelangt, schraubten sie die Kugel auf, da sie sich im Ganzen nicht vom Schaft heben ließ. Mit beiden Hälften sowie zwei Kartuschen, die sich in der Kugel befanden, ging es wieder runter. Arbeitseinsatz beendet.
Nach der Demontage in luftiger Höhe wurde die Turmbekrönung auf dem Kirchplatz kurz ausgestellt. Foto: D. Preikschat
Zu ebener Erde auf dem Kirchplatzpflaster abgelegt, sah man erst so richtig deutlich, wie angegriffen die Bekrönung ist. Die Kugel – eher ein großes Ei mit 1,20 Meter Durchmesser – ist völlig ausgebleicht, ganz weiß und nicht mehr goldfarben.
Wie wertvolle Schätze trugen Pfarrerin Ulrike Garve und Peter Berger vom beauftragten Architektenbüro die Kartuschen in die Kirche. Sie wurden am Mittwoch noch nicht geöffnet. Zur Bekrönung sagt Berger: „Die Teile werden gereinigt und mehrfach grundiert, Kugel und Wetterfahne mit Blattgold belegt.“ Darüber hinaus werde der Kirchturmschaft um 60 Zentimeter verlängert, damit die restaurierte Bekrönung eleganter in die Höhe ragt.
Preis und Stückzahl geschichtsträchtig
Rochus Graf zu Lynar und Pfarrerin Ulrike Garve hatten sich informiert: 32.000 bis 36.000 Euro kostet die Restaurierung, inklusive Demontage und Montage. Der Verkauf der 280 Jubiläumspakete habe aber sogar 45.388 Euro eingebracht. Das Schloss Lübbenau, erklärt der Graf, habe nichts bei der Verkaufsaktion verdient, sondern sogar draufgezahlt.
Dies sei aber auch in Ordnung so, wenn gleich zwei bedeutende Jahrestage gefeiert werden können. Denn zum einen sind die zu Lynars seit 1621 prägender Teil der Geschichte Lübbenaus. Weshalb der Preis von 162,10 Euro pro Paket geschichtsträchtig zu nennen ist. Zum anderen nimmt die Paket-Stückzahl von 280 Bezug auf das 280. Jubiläum der Nikolaikirche, mit der die zu Lynars stets eng verbunden waren. Von 1738 bis 1741 wurde die barocke Kirche einst auf Geheiß des damaligen Standesherrn Moritz Carl Graf zu Lynar erbaut.
Pfarrerein Ulrike Garve und Peter Berger vom Architektenbüro in Cottbus mit den beiden Kartuschen, die sich in der Kugel befanden. Foto: D. Preikschat
Erinnerung an Blitzeinschlag 1984 in Kirchturmspitze
Besser im Gedächtnis aber haben die Lübbenauer mit Blick auf ihre Kirche eine andere Jahreszahl. 1984, erinnerten sich einige der Schaulustigen am Mittwoch, schlug der Blitz in den Kirchturm ein. Die beschädigte Bekrönung musste heruntergeholt und restauriert werden. Damals kam auch die zweite Kartusche in die Kugel.
Ausstellung der Krone in der Kirche in Lübbenau
Anders als damals wurden die restaurierten Teile der Krone vor der Montage aber nicht in der Kirche ausgestellt. Diesmal haben sich die Lübbenauer das jedoch verdient, finden Graf und Pfarrerin. Vor allem dürfe man auch das entsprechende Interesse vermuten.
Rochus Graf zu Lynar sei sich schon ziemlich sicher gewesen, alle 280 Jubiläumspakete auch verkauft zu bekommen. Aber so schnell?! Das zeige ihm doch, wie heimatverbunden und geschichtsbewusst die Lübbenauer sind, wie sehr sie sich mit ihrer Stadt identifizieren und deshalb auch ihre Kirche in gutem Zustand wissen wollen.
von Daniel Preikschat, erschienen in der Lausitzer Rundschau