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05.10.2005

Musik-Kost aus dem Mittelalter

Geteilte Meinungen nach dem Abschlusskonzert in der Zieckauer Dorfkirche
ZIECKAU. „Die gregorianischen Gesänge haben mir richtig gut getan“, sagt ein Konzertfreund. „Ohne das erläuternde Programm hätte ich aber nur ,Bahnhof‘ verstanden“, sagt sein Nachbar. Geteilte Meinungen und viele Überlegungen gab es am Sonntag nach dem in diesem Jahr letzten Kirchensommer-Konzert in der Dorfkirche Zieckau.

Gregorianische Gesänge wird die Musik genannt, die das Scivias-Ensemble Berlin in seinem
Hildegard-von-Bingen-Programm am Sonntag in der Zieckauer Kirche präsentierte.

 

Viele waren in das Konzert des Berliner Scivias-Chores gekommen, um Klängen aus dem Mittelalter zu lauschen. Hildegard von Bingen stand mit ihrem Leben und ihrer Lehre im Mittelpunkt des Konzertes. Das freilich fiel aus dem bisher gesteckten Rahmen.

Die von der katholischen Kirche heilig gesprochene Hildegard hatte von 1098 bis zum 17. September 1179 gelebt. Ihr theologisches Hauptwerk „Scivias“ („Finde den Weg“) nahm das kleine Ensemble um Gislinde Strunz zum Thema ihres Programms „Der stille Gesang des Herzens“. Das sollte den Weg der Hildegard von der Kindheit über die Erleuchtung bis zur Gründung des eigenen Klosters bei Bingen am Rhein szenisch nachvollziehen.

Kann das Publikum diesen Lebensweg, kann es den Kerngedanken der künstlerischen Umsetzung ebenfalls nachvollziehen? Die Gastgeber um Konzert-Organisator Lothar Treder-Schmidt taten sehr gut daran, fast jedem Musikfreund in der Kirche einen umfangreichen Programmzettel in die Hand zu geben. Die fünf exzellenten Sängerinnen sangen ihre Chortexte in Latein. Da wurde es auch dem Aufmerksamsten schwierig, dem Faden des Geschehens zu folgen. Zwar gab es szenische Texte auf deutsch, doch auch die forderten von den Hörern mehr Aufmerksamkeit, als es einem Konzert zuträglich ist. Die Musik, dem Mittelalter nachempfunden und von Friedemann Schmidt mit Blockflöte, Maultrommel und viel Elektronik in Szene gesetzt, ließ zwischendurch Zeit zum Luftholen.

In der Zieckauer Kirche erinnerte vieles konzertant an Aufführungen der griechischen Tragödie, und das sollte die Inszenierung auch. Der Beifall für das Scivias-Ensemble aus Berlin war lautstark, aber im Publikum geteilt wie auch die Meinungen der Zuhörer im Gotteshaus. Über die künstlerischen Leistungen ist nicht zu streiten, die waren gut, hieß es. Aber ob sie mit der Aufführung zur rechten Zeit am rechten Ort waren, blieb in der Diskussion offen.

Drei Konzerte hatte es in der diesjährigen Konzertsaison in Zieckau gegeben. Sie konnten vom Angebot unterschiedlicher nicht sein, was das Publikum letztlich erfreute, wie zu hören war. Mit Pastoralen und Hirtenmusiken des 18. und 19. Jahrhunderts begann am 12. Juni der musikalische Reigen. Zum ersten Mal nach vielen Jahren erklang die Zieckauer Orgel wieder. Ungarische und deutsche Volkslieder gab es am 4. September. Am Sonntag schließlich waren die Musikfreunde im Mittelalter.

„Wir haben getestet, was ankommt. In der kommenden Konzertsaison werden wir auch wieder Heiteres und Volkstümlicheres im Programm haben“, sagte Konzert-Organisator Lothar Treder-Schmidt nach der Veranstaltung am Sonntag. (-ds)

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