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23.05.2005

Menü-Nr. 13 stand musikalisch hoch im Kurs

„Speisekarte“ des Schmöckwitzer Kammerorchesters brachte Golßenern Spaß und Ohrenschmaus
GOLSSEN. „Man nehme Nr. 3 – den Vivaldi – als Vorspeise. Als Hauptgericht ist die Nr. 4, also der Telemann, auch sehr gut gewählt. Zum Dessert könnte man die Strauß-Polka als Nr. 11, aber auch anderes als Ohrenschmaus genießen. Entscheiden Sie doch bitte selbst.“

Musik „á la carte“ beim Geburtstagskonzert des Schmöckwitzer Kammer-
orchesters in der Golßener Kirche machte Musikern wie Publikum Riesenspaß.

 

KMan glaubte, in einem noblen Restaurant zu sein und war doch in der Golßener Kirche. Das „Schmöckwitzer Kammerorchester“ mit seinem „Oberkellner“ Mike Flemming gab dem Publikum und sich am Sonnabend die Ehre. Mit einem Programm, das es in der Region so noch nicht gab.

Zuerst irritiert, dann amüsiert sahen die vielen Musikfreunde in das Programm, das eigentlich keines war. Es glich einer musikalischen Speisekarte. „A la carte“ wurden zur Vorspeise Werke von Barock-Komponisten, zum Hauptgericht Musik von barocken Meistern, der der Wiener Klassik, selbst Romantiker angeboten. Als Dessert dann Deftigeres von Strauß, Weill oder eine weltbekannte Samba.

„Alles ist möglich, wenn Sie es wollen. Schließlich feiert unser Ensemble in diesem Jahr den 20. Geburtstag. Da wollen wir Ihnen und uns doch die Freude machen“, erklärte Orchester-Chef Mike Flemming den freudig-verdutzten Konzertbesuchern das Programm.

Zu den Solisten, die „wussten, was kommt“ gehörte Ulrike Voigt. Im „Zivilberuf“ ist die umjubelte Konzert-Flötistin eigentlich Pfarrerin in Schlepzig und Superintendentin im Kirchenkreis Lübben. „Die Musik brauche ich als Ausgleich. Ich liebe meine Aufgaben, aber auch das Orchester, dem ich seit der Gründung angehöre. Durch die Musik habe ich auch meinen Mann kennen gelernt“, freut sie sich – und der Gatte saß mit im Ensemble. Sie spielte mit der selten gehörten Sopranino-Blockflöte das wohl allererste Konzert für Flöten-Solo in der Musikgeschichte, das von Antonio Vivaldi. Exzellent, so war in den Kirchenbänken zu hören. Das galt ebenso für das „Wiegenlied“ aus der Feder des romantischen Komponisten Gabriel Fauré.

Die Hörer riefen die gewünschten Nummern vom Programm-Zettel, das Orchester spielte dann das Stück. So etwas ist ungewöhnlich. Es bewirkte aber, dass das Geburtstagskonzert des Ensembles zum richtigen Fest durch die Stilepochen wurde.

Richtige musikalische „Ohrwürmer“ wie Johann Pachelbels „Kanon“ („Eigentlich spielen wir das zu Weihnachten. In Golßen ziehen wir das eben ein bisschen vor“, so Orchesterchef Mike Flemming), das weltberühmte „Air“ aus Bachs Orchestersuite Nr. 3 oder der Anfangssatz von Mozarts „Kleiner Nachtmusik“ (wenn auch im ICE-Tempo, doch sauber gespielt) erklangen.

Martina Golz verblüffte mit ihrer herzlich-einfühlsamen Oboen-Partie im Konzert d-Moll von Tomaso Albinoni, dem ersten überlieferten Oboen-Konzert in der Musikliteratur überhaupt.

„Sieht man von den beiden Musikschullehrern in unserem Reihen einmal ab, sind wir alle Instrumentalisten, aber aus anderen Berufen“, sagte Golßens Pfarrer Joachim Krätschell, der selber im Ensemble die Geige spielt. Nicht nur das – er war wesentlich an der Erfüllung des „Menü-Bestellwunsches Nr. 13“ der Konzert-Speisekarte beteiligt: am Welthit, der Samba „Tico-Tico“. „Musik soll Kraft geben, für den Beruf und den Alltag“, so Krätschell, der die Rumba-Rasseln nur so scheppern ließ. Das alles hat ihm und dem Orchester Spaß gemacht. Dem Publikum sowieso.

Von Detlev Simsch

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