Schwerpunkte

Kulturarbeit
→ zurück

07.08.2006

Ein Orgel-Fest mit Hindernissen in Drahnsdorf

„Mixtur im Bass“ auf unfreiwilliger Wanderschaft nach Wildau-Wentdorf
DRAHNSDORF/WILDAU-WENTDORF. Ein Konzert mit Hindernissen hat es am Freitag nicht in Drahnsdorf, dafür aber plötzlich und unerwartet in der Kirche von Wildau-Wentdorf gegeben. Der Holzwurm und die lange Hitze sind schuld daran gewesen und haben eine ganze Konzert-Gesellschaft zur Wanderung in den Nachbarort bewegt.

Sylvie Poirer und Philip Crozier aus Montreal haben den
zahlreichen Hörern Freude an der Musik mit Werken von der
Renaissance bis zur Moderne gegeben.

 

„Wir hatten gleich mehrere Probleme auf einmal“, sagte der Organisator der Konzertreihe „Mixtur im Bass“, Rudolf Bönisch zur RUNDSCHAU. Der Orgel-Stimmer hatte am Freitag an der Schuke-Orgel in der Drahnsdorfer Kirche festgestellt: Die alten Holzwurm-Löcher haben sich wegen der extremen Hitze-Periode geweitet. Bei einigen Tönen der pneumatischen Orgel kam die Luft zu spät oder gar nicht an die Pfeifen. Die Frage stand plötzlich vor den Organisatoren: Sagen wir das Konzert ab oder nicht?

Krisensitzung im Pfarrhaus

Beim „Krisenstab“ im Drahnsdorfer Pfarrhaus kam der Gedanke, der Rettung aus der Not sein konnte. Ein Telefonat mit Gemeindegliedern im benachbarten Wildau-Wentdorf brachte ein klares „Na klar, da helfen wir!“ Die schmucke Kirche wurde für das Konzert her gerichtet. Rudolf Bönisch selber nahm die Konzertgäste, die zum Teil aus Berlin, aus Lübben, Cottbus und dem Luckauer Raum kamen, in Drahnsdorf in seinen „musikalischen Orgel-Shuttle“. In Wildau-Wentdorf erwartete Albrecht Bönisch, der Orgelfachmann der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-Schlesische Oberlausitz, die Konzertfreunde zur Führung durch die Kirche, deren Geschichte bis ins 14. Jahrhundert reicht.

Die Orgel in der Kirche von Wildau-Wentdorf hat ihre Geheimnisse, die auch Albrecht Bönisch am Freitag nicht lüften konnte. „Keiner weiß genau, wer das Instrument zwischen den Jahren 1870 und 1880 erbaut hat“ , sagte er. Im Orgelwerk finden sich Schriftzüge, die auf die Gebrüder Oswald und Paul Dinse aus Berlin als Orgelbaumeister weisen könnten. Genau sei das aber noch nicht erforscht.

Die Orgel aber erzählt Geschichten. Ihre größte Pfeife im Bass sei 2,40 Meter groß, erklärte Albrecht Bönisch. Bei einer Orgel-Rekonstruktion im Jahr 1986 wurde ein so genanntes „Streicher-Register“ eingebaut – auf sonderbare Art: Einige originale Pfeifen seien auf ein Drittel ihrer Länge einfach beschnitten worden. „Das ist heute absolut unüblich“, sagte Albrecht Bönisch. Dennoch habe diese Orgel bis heute einen unverwechselbaren, schönen Klang.

Den entfaltete die Königin der Instrumente am Freitag besonders, denn Organisten mit Weltruhm nahmen sich ihrer an. Kirchenmusikdirektor Philip Crozier und Sylvie Poirer aus dem kanadischen Montreal spielten Orgel-Duette und auch Soli. Beide haben sowohl auf europäischem wie nordamerikanischem Konzertpodium Namen mit bestem Klang. Sie erfreuten sich am Spiel an einer „einfachen Orgel mit intakter Mechanik“.

Interpreten als gute Partner

Der zahlreichen Hörerschaft boten die beiden Orgelwerke von Pachelbel aus dem Frühbarock, Franz Schubert, den Romantikern Franz Lachner, Felix Mendelssohn Bartholdy, aber auch Modernes von Denis Bedard und Bernard Piche. Bei allem erschienen Orgel und Interpreten als gute Partner. Dabei hatten die Organisten kaum Zeit gehabt, sich vor dem Konzert mit dem Instrument zu befassen. Für das Konzert gab es herzlichen Beifall.
„Die Musik war wunderschön und die Organisten so sympathisch“, sagte Elisabeth Meyerhof aus dem fränkischen Kulmbach, die derzeit in der Niederlausitz Urlaub macht. Ihr Kompliment galt den Interpreten, aber auch den Konzert-Organisatoren mit ihren Helfern, die so flexibel handelten und das Musikfest gerettet haben. (-ds)

→ zurück