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01.06.2004
Die Nacht hat viele musikalische Farben
Von «Fisches Nachtgesang» bis zur «Kleinen Nachtmusik» in der Golßener Kirche
In der Nacht mögen zwar fast alle Katzen grau sein, aber die Nacht hat viele musikalische Farben. Den Beweis anzutreten, waren 15 Musikerinnen und Musiker des Schmöckwitzer Kammerorchesters im Rahmen des Brandenburgischen Dorfkirchensommers am Freitag in die Golßener Kirche gekommen.
Die 1820 geweihte Kirche sah am Freitag anders als gewohnt aus. Dafür hatten viele Mitglieder der Jungen Gemeinde gesorgt. Kerzen säumten den Altar und Balustraden. Pfarrer Joachim Krätschell, er ist selbst Violinist im Kammerorchester, freute sich über das Engagement wie die Konzertbesucher über diese hübsche Idee, die mit zur guten Stimmung des Abends beitrug.
Das Schmöckwitzer Kammerorchester – es wird im kommenden Jahr sein zwanzigjähriges Bestehen feiern und besteht aus 15 «Musikinteressierten mit verschiedenen Berufen» (so das Programm-Faltblatt, die musikalische Ausstrahlungskraft der Interpreten stark untertreibend) – wird von Mike Flemming geleitet. Das Ensemble erarbeitet sich in der Freizeit im Jahr zwei thematische Konzertprogramme. «Von Morgenstern bis Nachtmusik» erfreute in Golßen.
In vielen Facetten
Die Nacht hat viele Facetten, das wussten Komponisten wie Dichter. Sie kann rosarot für die Frischvermählten, grau für den Betrübten sein. Aber auch mit einem Hoffnungsstrahl für Verliebte mag sie gelten, als pechschwarz für Gedanken der Rache. Zärtlich im Schlaflied für die Kinder und heiter in der Serenade. Von alldem hatte das Programm die gehörige Prise.
Der englische Barockkomponist Henry Purcell ließ sich von Shakespeares «Sommernachtstraum» musikalisch zu einer Suite inspirieren. Flemming mit seinem Orchester ließ schon mit dem beschwingt-einladenden «Prelude» aufhorchen, dem vier weitere Suite-Sätze folgten.
Flemmig ist es auch, der Lieder von Johannes Brahms und Franz Schubert von der originalen Klavierfassung ins Orchestrale übersetzte und gemeinsam mit der stimmlich guten Sopranistin Juliane Sprengel für Hörgenüsse besonderer Art sorgte. Brahms kam heiter mit seinen Liedern «Englische Schäferin» und als melancholischer Romantiker in seiner Volkslied-Bearbeitung «Soll der Mond nicht heller scheinen» . Franz Schuberts «Winterreise» , entstanden in seinem letzten Lebensjahr und voller Melancholie, war im Konzert mit den Liedern «Im Dorfe» und «Rast» präsent – dafür sorgte vor allem Juliane Sprengel mit ihrer Interpretation, vom Orchester tatkräftig-filigran unterstützt.
Der Dichter und alte Spötter Christian Morgenstern nun auch noch als Partner des Orchesters? Das ging durchaus. «Fisches Nachtgesang» kann man im Buch nur als Luftblasen-Text lesen. Musikalisch arrangierte das Mike Flemming als stehendes Streicher-Ensemble, das er dirigierte und das seine Instrumenten-Bögen eben eine handbreit über den Seiten strich. Musik ohne Töne eben. Das Publikum war von dieser musikalischen Darbietung verblüfft wie amüsiert.
Eine Nachtmusik gibt Entdeckungen Platz. Friedrich Robert Volkmann, ein Komponist der Romantik, erklang mit einer Serenade, die in dieser Interpretation schon ein bisschen Wagner atmete. Gesellig und heiter zwar, aber schon nicht mehr im Stil von Wolfgang Amadeus Mozart. Der war in einem wunderschönen Duett von Flöte (Ulrike Voigt) und Oboe (Martina Golz) auf die Arie «Der Hölle Rache kocht in meinem Herzen» aus der «Zauberflöte» zu hören. Und dann erst die Serenade der Serenaden – Mozarts «Kleine Nachtmusik» ! Die Allegro-Romanze nahm Flemming im Tempo wörtlich und schaffte den Satz im Tempo deutlich schneller als andere Klangkörper, um ein inniges Menuetto folgen zu lassen. Das nicht minder bekannte Rondo mit Verve und besonderer Spiellaune, um schließlich – nach dem Allegro war Rasches zu erwarten – in einem frischen, aber nicht hektischen Schlusssatz zu münden.
Ein guter Abend
Herzlicher Beifall nach dem Konzert. Als Zugabe gab es das Lied, das Johannes Brahms den Kindern seiner Freunde, dem Ehepaar Schumann, zugedacht hat: «Guten Abend, gut´ Nacht» mit Juliane Sprengel und dem Orchester. Es war ein guter Abend. (ds)