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29.08.2018

Äußerst wohl-angestimmte Töne

ZIECKAU. Am Sonntag fand ein weiteres Zieckauer Dorfkirchenkonzert unter dem Titel „So fort, ihr angestimmten Töne“ statt. Es erklang barocke Musik großer Komponisten aus jener Zeit.

 

 

Sopranistin Gabriele Näther, Flötistin Birgitta Winkler und der junge Tilman Albrecht am Cembalo und an der historischen Zieckauer Orgel ließen die Kammermusik vielfältig und farbenreich erklingen. Die unterschiedlichen Besetzungen der Stücke machten über die Interpretationen hinaus den Nachmittag abwechslungsreich und erleichterten den Zugang auch für jene, denen sich die Musik von vor mehr als zwei Jahrhunderten nicht so leicht erschließt. Eine Brücke baute zusätzlich der Veranstalter, der jeweils mit kurzen einführenden Texten die Komponisten mit charakteristischen Kurzinfos vorstellte und mit einigen Anekdoten näher brachte.

Von Telemann erklangen zwei „moralische Kantaten“ – lyrisch und wortdeutlich von Gabriele Näther interpretiert. Begleitet von Birgitta Winklers Flöte und Tilman Albrechts Cembalo wurde wunderbar hörbar, warum die Zeitgenossen Telemann für seine sanglichen Melodiebögen und seine harmonische Differenzierung priesen. Buxtehude, zu dem Bach einst 400 Kilometer von Arnstadt nach Lübeck pilgerte und wegen des zu langen Aufenthalts dort fast seine Anstellung verlor, wurde mit zwei seiner Werke, früher und herber im Klang als Telemann, vorgestellt.

Natürlich gehörte dazu auch ein Orgelstück dieses Orgelvirtuosen. Tilmann blieb der – eigentlich für ein sehr viel größeres Instrument komponierten – Suite auch an der kleinen Dorfkirchenorgel nichts schuldig und ließ auch den tänzerischen Charakter der drei Sätze durchscheinen.

Um den nächsten Komponisten, so erfuhren die Zuhörer, hatten sich der Landgraf von Hessen und der Kurfürst von Sachsen fünf Jahre lang erbittert diplomatisch bekriegt. – Wer könnte sich das heute bei Staatsmännern vorstellen? Schütz‘ kleine geistliche Konzerte waren entstanden, nachdem in den Jahren des Dreißigjährigen Kriegs in Dresden die Hofkapelle und das Kultur- und Musikleben durch die Nöte und Verheerungen des Krieges zusammengebrochen waren. Mit der kleinen Besetzung orientierte sich der Komponist an den begrenzten materiellen Möglichkeiten, was ihn aber nicht hinderte, herrliche Musik zu schreiben – klangschön von Gabriel Näther vorgetragen und differenziert und einfühlsam am Cembalo begleitet.

In die Pause entlassen wurde das Publikum mit zwei anrührenden Liedern aus dem Notenbüchlein der Anna Magdalena Bach. Die Sopranisitin war Bachs zweite Frau, die er ein Jahr nach dem plötzlichen Tod seiner ersten Frau heiratete und mit der er weitere 13 Kinder hatte nach bereits sieben aus erster Ehe. Übrigens hatten um ihn auch Fürsten gestritten: Bach unterschrieb beim Fürsten Leopold von Anhalt-Köthen einen neuen Anstellungsvertrag, noch ehe ihn sein bisheriger Dienstherr, der Herzog von Sachsen-Weimar, freigegeben hatte. Der war darauf massiv „ungnädig“! Bach landete sogar im Gefängnis!

Nach der Pause rührte Bachs wunderbares „Verleih uns Frieden gnädiglich“ die Zuhörer nicht nur durch den einfühlsamen Vortrag, den süßen Flötenton und den farbenreichen Cembaloklang an, sondern – leider – auch durch die fortdauernde Aktualität dieser Bitte.

Mit der Musik des berühmtesten Komponisten jener Jahre ging das Konzert zu Ende: Händel, von Funktionen als Stadtmusikdirektor in deutschen Städten und Chef der Hamburger Oper aufgestiegen zum musikalischen Großmeister der englischen Orchester-, Opernmusik und der Oratorien in London und gleichsam von Weltmusik. Händel war als Komponist Genie, Weltmann, Impresario und Geschäftsmann.

Es erklangen zwei Stücke aus den Neun deutschen Arien, die neben der Entfaltung lyrischer Bögen auch Ansprüche an die Virtuosität der Sängerin stellten. Gabriele Näther wurde ihnen gerecht, und Brigitta Winkler und Tilman Albrecht wurden regelrecht gefeiert für ihre musikantische, temperamentvolle Interpretation der Sonate F-Dur.

Mit großem Schlussapplaus feierte Publikum das Trio herzlich und erzwang eine Zugabe. Tilman Albrecht fantasierte an der Orgel zur Begeisterung des Auditoriums über ein schottisches Folklorethema und erspielte sich einen weiteren Beifallssturm in der übrigens recht wohl gefüllten Kirche. Auch das war ein schöner Erfolg für die Konzertreihe, denn sie musste an diesem Sonntag mit einer Fülle anderen Veranstaltungen in der näheren und weiteren Region konkurrieren.

Lothar Treder-Schmidt, erschienen in der Lausitzer Rundschau

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