Langengrassau
Bilder: Die Kirche von außen, der Innenraum mit Blick nach Osten (Foto: B. Steinhagen) und ein klassizistischer Leuchter im Detail
Die Kirche stammt aus der 1. Hälfte des 13. Jahrhunderts und wurde damit nur wenige Generationen nach der Besiedlung dieser Region um 1200 errichtet. Ältestes Bauteil dürfte die Apsis aus sehr gutem, regelmäßigen Quadermauerwerk sein, während Schiff und Turm aus einseitig behauenem Feldsteinmauerwerk bestehen. Das Baumaterial stammt aus der dritten und letzten Eiszeit, die im Gebiet des Niederlausitzer Grenzwalls endete und Findlinge aus Skandinavien und dem Ostseeraum hier ablagerte.
Den sog. „Turmknopf“ oder Dachreiter setzte man 1612 auf das Satteldach des Turms.
Nachdem sich die Kirche anfangs im Besitz wechselnder regionaler Patronatsherren befand, wurde sie 1578 mit dem gesamten Dorf Langengrassau für 6100 Taler an Kurfürst August I. zu Sachsen verkauft. Sehr wahrscheinlich seit dieser Zeit unterstand der Ort nur noch dem jeweiligen sächsischen Landesherrn und wurde somit „Amtsdorf“. Damit wurde der Kurfürst bzw. später der König von Sachsen zum Patron für Dorf und Kirche. Seine Interessen nahm stellvertretend der bürgerliche Amtmann von Schlieben wahr. 1815 endete die Zugehörigkeit zu Sachsen, und auf Beschluß des Wiener Kongresses wurde Langengrassau gemeinsam mit großen ehemals sächsischen Gebieten Preußen zugeschlagen.
Nur drei Jahre später entschloß sich die Gemeinde zu einer umfangreichen Erneuerung der Kirche. Anlaß waren wohl ihre deutliche Baufälligkeit und der Bedarf an mehr Sitzplätzen. Das Kirchenschiff und die Dachkonstruktion wurden – vermutlich für den Einbau der Emporen – erhöht. Für die bis dahin vorhandenen fünf bauzeitlichen Öffnungen setzte man große rundbogige Fenster ein und gestaltete den gesamten Innenraum im Sinn des Klassizismus neu (Kanzelaltar, Gestühl, Hufeisen-Empore). Unter der Treppe zur Kanzel ist der alte „Kirchenkasten“ – eine eichene Einbaumtruhe – eingebaut.
Die im Pfarrarchiv vorhandene „Rechnung über den Kirchen-Bau zu Langengraßau, Geführt vom 4. März 1818 bis den 1. July 1821“ durch „Johann Gottfried Götze, Richter und Zwey- Hüfner allhier“ belegt eindrucksvoll, mit welcher Zielstrebigkeit die Gemeinde vorging. Am 6. Juni 1819 konnte man bereits Kirchweihe feiern.
Zum Abschluß des Kirchenumbaus 1818/19 leistete man sich endlich eine Orgel und bestellte sie aus alter Verbundenheit in Sachsen – beim Dresdner Orgelbaumeister Friedrich Traugott Kayser. Sie wurde am 19. Juni 1820 geweiht und vereint eine klanglich jeweils sehr überzeugende barocke und romantische Seite.
Der gußeiserne Taufstein kam 1880 als Privatspende in die Kirche, der Messingkronleuchter wurde aus Anlaß eines Ehejubiläums 1898 gestiftet. Der hölzerne, vergoldete Kronleuchter im Altarbereich stammt vermutlich aus einem der preußischen Königsschlösser und ist das Geschenk an einen Langengrassauer Bauern, der ihn seiner Kirche vermachte.
Im Mai 1890 schlug der Blitz in den Kirchturm ein, zerstörte den mit Eichenholz-Schindeln gedeckten Dachreiter und beschädigte u.a. die Orgel und die Altarwand. Im Zuge der folgenden Reparaturen erhielt die Kirche ihre schöne Kasettendecke.1960-65 erfolgte eine Renovierung des gesamten Kircheninnenraumes mit dem Ziel, ihm seine zwischenzeitlich übertünchte klassizistische Farbigkeit zurückzugeben. Noch heute gibt der Raum das Ergebnis jener Zeit wider.
In den Jahren 2007/08 erfolgte eine komplette Hüllensanierung der Kirche: das Dachtragwerk wurde denkmalgerecht repariert und nach dem Vorbild einen historischen Bibers von 1890 neu eingedeckt, das gesamte Mauerwerk überarbeitet und die Fenster von 1819 ertüchtigt. Der Turm erhielt einen fachgerechten Glockenstuhl, in welchem seitdem neben der historischen Glocke von 1851 zwei neue Bronzeglocken aus Lauchhammer hängen.
Beim Langengrassauer Pfarrgrundstück handelt es sich um einen Pfarrhof, der vermutlich zwischen 1526 und 1529 für den 1. nachreformatorischen, also protestantischen Pfarrer in Langengrassau eingerichtet wurde. Da die Geistlichen auf dem Land von ihrer Gemeinde nicht besoldet wurden, mußten sie etwa die Hälfte ihres Einkommens aus der eigenen landwirtschaftlichen Arbeit auf dem Pfarrhof erzielen. Weitere Einnahmen des Pfarrers stammten aus Gebühren für Amtshandlungen, aus Kollekten und vor allem aus Deputaten, also in Naturalien entrichteten Teilen des Lohnes. Seit 1551 bis heute sind alle Langengrassauer Pfarrer namentlich bekannt.
Annegret Gehrmann (2021)
Quelle:
Akten im Pfarrarchiv Langengrassau
Markus Agthe: Kirchen zwischen mittlerer Elbe und Bober. Untersuchungen zu Aspekten der archäologischen Denkmalpflege und Baugeschichte; Wünsdorf 2017